Spendenaufruf, Soliveranstaltungen, Perspektiven & Konsequenzen
Das reboot open air 2022 hat Multicore Freiburg e.V. einen immensen finanziellen Schaden verursacht, welchen wir ohne Hilfe nicht kompensieren können. Wir haben uns hierzu bislang nicht hinreichend geäußert. Das wollen wir hiermit nachholen.
Der wirtschaftliche Schaden ist real. Daran gibt es nichts schönzureden. Die Lage ist äußerst ernst, es geht um nichts weniger als das Überleben des Vereins. Dass wir einmal in diese Situation geraten, hätten wir nicht für möglich gehalten. Niemand im Vorstand nimmt die Situation auf die leichte Schulter. Es tut weh, Menschen vertrösten zu müssen, denen man eigentlich etwas Gutes tun wollte. Hinzu kommt die Sorge, dass wenn es ganz arg dumm läuft, eine private Haftung für die Vorstände nicht ausgeschlossen ist. 30.000 EUR sind kein Pappenstil. Eine Kostenübernahme des Schadens durch die öffentliche Hand wird es nicht geben. Verlangen wir auch nicht.
Ursachen
Natürlich haben wir uns den Kopf zermartert, wie es zu diesem Schaden kommen konnte. Wir haben mit unserem Team, im Vorstand, unseren Gläubiger:innen, unseren Mitgliedern sowie anderen Einrichtungen und Veranstalter:innen dazu dutzende Gespräche geführt. Einhellig wurde uns zurückgemeldet, dass die Kultur-Konsum-Laune insgesamt massiv unter einer mehrfachen Krisenbelastung leidet, wir mit unserem Problem somit nicht alleine dastehen. Insbesondere Veranstaltungen mit kleinen oder mittleren Künstler:innen ächzen unter heftigem Besucher:innenmangel. Energiekrise, Inflation und schwindende Kaufkraft verbunden mit dem Schock einer weiterhin nicht überwundenen Coronakrise resultieren in einem vorsichtigeren, selektieveren Ausgehverhalten. Ganze Tourneen werden aktuell abgesagt, und zwar reihenweise. So richtig funktionieren aktuell nur umsonst & draußen Veranstaltungen, oder die ganz großen Namen. Es betrifft die ganze Kultur- und Veranstaltungsbranchne. Als alleinige Erklärung für die Probleme unseres Festivals genügt dies sicherlich nicht. Vertiefend haben wir weitere wichtige Punkte wie folgt zusammengetragen:
Zu hohe Eintrittspreise Unnötig hoher, selbstgewählter Wirtschaftsdruck: Die beantragte Zuschusssumme war zur Deckung der hohen Kosten alleine nicht ausreichend. Der eingereichte Finanzplan sah zur Co-Finanzierung das Erwirtschaften von nennenswerten Eintrittserlösen vor. Diese konnten nicht erreicht werden. Viele meldeten uns zurück, dass sie mit den Namen auf dem Line-Up nicht viel anfangen konnten. Es war nicht möglich, in der Kürze der Zeit hinreichend viele, potenziell interessierte Gäste zu erreichen. Einige der namhafteren lokalen Acts waren zudem zeitgleich, bzw. kurz zuvor oder danach unentgeltlich zu sehen, weswegen nicht wenige den aufgerufenen Eintrittspreis als zu hoch empfanden. Zudem war die Konkurrenzsituation im Juli insgesamt deutlich größer, als angenommen. Rückblickend hätten wir daher schon bei Antragsstellung anders kalkulieren müssen. Es wäre besser gewesen, auf ein Publikum zu setzen, dem es mehr oder weniger “egal” ist, wer im Einzelnen auf dem Festival spielt. Eine niedrigschwelligere Preisgestaltung hätte für mehr Publikum auf dem Festival gesorgt. Eine stärkere Fokussierung auf Gastronomieerlöse statt auf Eintrittsgelder wäre insgesamt der bessere Weg gewesen.
Keine Zeit und alles gleichzeitig: Der Termin Anfang Juli 2022 war angesichts der erwartbar späten Mittelung um eine mögliche Bewilligung durch das Förderprogramm Kultur Sommer 2022 viel zu ambitioniert gewählt. Von dort an blieben gerade einmal 8 Wochen bis zur Umsetzung, in denen nahezu alles parallel entwickelt werden musste: Beschaffung der Infrastruktur, Booking/Line-Up, Personal- Helfer:innenaquise und Werbung. Kontrollschleifen waren nicht möglich, eine gewisse “Betriebsblindheit” damit vorprogrammiert. Eine hinreichende Planungssicherheit für ein Vorhaben dieses Umfangs wäre nur durch einen deutlich größeren Vorlauf von mindestens 6 Monaten möglich gewesen.
Der Eschholzpark verfügt über keinerlei vorhandene Infrastruktur. Ein Festival auf der “grünen Wiese” zu veranstalten ist planungsintensiv, riskant, stressig und vor allem teuer. Multicore verfügt über keine eigene Einrichtung, kein Gebäude, an das wir unser Festival hätten andocken können. Eine kürzere Durchführungsdauer von drei Tagen, sowie ein kleinerer Geländezuschnitt für ca. 800 Besucher:innen wäre ebenfalls sinnvoll gewesen, da es einiges an Stress aus dem Vorhaben genommen hätte, insbesondere bei der Beschaffung der Infrastruktur, der Programmgestaltung, sowie dem Workload bei Auf- und Abbau. Dies hätte zudem zu einer Kostenersparnis von immerhin 15% geführt. Für den Gesamtschaden spielen diese “Mehrausgaben” daher natürlich ebenfalls eine Rolle, wenn auch nicht in dem Umfang, wie man meinen möchte.
Zu wenig Erfahrung bei gleichzeitig erschwerten Rahmenbedingungen. Multicore Freiburg ist kein erfahrener Festivalveranstalter. Das Durchführen von Veranstaltungen ist für unseren Verein nicht Hauptsatzungszweck, nicht “Kerngeschäft”, sondern spielt eine beigeordnete Rolle. In der Coronapandemie verschob sich jedoch die Bedarfslage der Band- und Musiker:innenszene durch das Wegfallen von Auftrittsmöglichkeiten radikal. Das Engagement des Vereins als Festivalveranstalter sollte eine Brücke bauen - jedoch fehlte es an Erfahrungswerten aus einer “Normalzeit”. Das Festivalvorhaben war auf mehreren Ebenen zu ambitioniert, die damit verbundenen Risiken zu wenig bewusst. Erschwerend hinzu kamen äußere Bedingungen, die alles andere als günstig waren.
Trotz wirtschaftlicher Bauchlandung: Wichtige Ziele wurden erreicht, viel Positives konnten wir mitnehmen
Trotz größter Widrigkeiten in Organisation und Durchführung konnte das Vorhaben nahezu vollständig realisiert werden.
Das Festival bot knapp 30 Bands und Musiker:innen die schönste Bühne, die je im Eschholzpark stand, gute Umsorgung, top Soundqualität, qualitativ hochwertiges Bildmaterial für’s Portfolio, sowie angemessene Gagen.
Über 70 Helfer:innen waren an der Realisierung beteiligt. Ein beeindruckendes Engagement und ein klares Statement, dass hier eine Szene nicht nur Lust auf Festival hat, sondern auch bereit ist, dafür richtig mitanzupacken.
Eignung des Eschholzparks für Spätveranstaltungen unter Beweis gestellt - wenn man’s richtig macht. Bei korrekt ausgerichteter Bühne und verantwortungsvollem Personal an den Lautstärkereglern haben wir gezeigt, dass Konzertveranstaltungen bis Mitternacht für die Anwohner:innen verträglich abzuhalten. Uns erreichte bis heute nicht eine Beschwerde.
Ausgaben im Plan: Der eingereichte Finanzplan wurde zwar auf der Einnahmenseite massiv verfehlt - jedoch legten wir auf der Ausgabenseite eine Punktlandung hin, waren sogar leicht unterhalb des Planwertes. Bei einem Projekt dieser Dimension und angesichts der gallopierenden Kostensteigerungen keinesfalls eine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht bei der irrsinnig kurzen Umsetzungszeit.
Wichtiger Ort für Vernetzung gestiftet. Zahlreichen Musiker:innen, Techniker:innen, Helfer:innen und Musikinteressierten bot das Festival einen Ort der Begegnung, des Austauschs, des Kennenlernens, sowie des Dazulernens.
In zahlreichen Gesprächen und Interviews wurde vertiefend auf die weiterhin prekäre Situation der Band- und Musiklandschaft aufmerksam gemacht.
Digitaler Erfolg: 3.500 Zuschauer:innen im Live-Stream
Multicore Freiburg e.V. vor dem AUS
Seit dem Festival-Finanz-Crash steht die Handlungsfähigkeit des Vereins auf Stand-By. Das ist schlecht, denn die Bandszene in Freiburg und Region ist dringend auf unsere Unterstützung angewiesen. Multicore Freiburg e.V. verwaltet Proberäume, bietet Beratung, Vernetzung und Technikverleih und vieles mehr an. Unkommerziell, gemeinnützig, fair und auf Augenhöhe. Seit Jahrzehnten setzt sich der Verein insbesondere für die Schaffung neuer Proberäume ein, welche im teuren Freiburg absolute Mangelware sind. Nun steht die Realisierung von mindestens 15 Räumen bevor. Es ist zu befürchten: Scheitert der Verein, scheitern auch diese Räume.
Crowdfunding, Spendenaufruf, Pop-Up-Events, Soliveranstaltung
Die Situation ist leider sehr ernst. Wir tun alles, damit das Schlimmste vermieden werden kann. Aber alleine werden wir uns aus dem Schlamassel nicht ziehen können. Neben offenen Rechnungen regionaler Dienstleister:innen sind noch die Hälfte der Bandgagen offen. Das schmerzt ungemein. Jeder Euro hilft, damit das AUS für den Verein abgewendet werden kann. Damit wir auch in Zukunft unseren Aufgaben, insbesondere als fairer Proberaumvermieter, Beratungsstelle, Netzwerk und Technikverleih, nachgehen können. Crowdfunding, Spendenaufruf, sowie Soliveranstaltungen sollen helfen, die Notlage zu lindern und auf die Situation aufmerksam zu machen.
Wir bitten um eure Unterstützung!
Spenden per Banküberweisung an:
MULTICORE FREIBURG e.V.
DE68 6805 0101 0010 0667 42
via PayPal senden an
Verwendungszweck: “Nothilfe Vereinsrettung” Wir haben bei betterplace.org eine Crowdfundingaktion mit zunächst einem Spendenziel von 10.000 EUR eingereicht. Dieses wurde nun freigeschaltet.
Wir sind für jede Hilfe äußerst dankbar.
Termine
Auch wenn wir uns schönere Anlässe vorstellen können, um unserer Vereinsarbeit nachzugehen, wollen wir mit den nächsten Terminen das Beste aus dieser Notsituation machen, niemals den Kopf in den Sand stecken, sondern weiterhin erreichbar, innovativ und sichtbar bleiben.
SA 08.10.2022 | Pop-Up-Musikgarten am Europaplatz | 13:00 - 21:00 Uhr
Vereinsausschank + 3 Biertische + 1 Palme + jede Menge Acoustic-Konzerte = gute Zeit am kaum genutzten Ort am “Siegesdenkmal”. Die Auftrittsslots richten sich nach den Bestimmungen für Straßenmusik - immer zur vollen Stunde 45 Minuten Programm. Spontane Auftritte (“Open Stage”) möglich und erwünscht. Schaut vorbei, kommt mit uns ins Gespräch, lasst eine Spende für die Vereinskasse da!
SA 05.11.2022 | Spendengala & Solikonzertabend | Haus der Jugend - 19:00 Uhr Eintritt auf Spendenbasis. Headliner: t.b.a
Perspektiven & Konsequenzen
Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung haben wir am 25.09.2022 intensiv über die Situation mit unseren Mitgliedern debattiert. Im Ergebnis stellte die Versammlung fest, dass das Engagement für den Bereich Festival aus Multicore Freiburg e.V. in eine eigene Körperschaft ausgegliedert werden soll, damit sich der Verein zukünftig wieder auf sein “Kerngeschäft” konzentrieren kann: Bereits 2024 schließt das L6, in welchem multicore seit 2005 acht Proberäume zu fairen Konditionen vermietet. Ferner stehen wichtige Beschlüsse für die Realisierung neuer Räume in der Karlsruherstraße 52 bzw. durch eine Modulbauweise an. Die Kulturraumfrage ist akut wie nie und muss wieder oberste Priorität haben.
Über die Zukunft des Festivals sind erste Netzwerktreffen für November/Dezember in Planung. Wir werden darüber informieren.
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